Das Wichtigste an Kongressen – auch am Kongress der Zukunft – ist der persönliche Austausch unter Gleichgesinnten und die Vermittlung neuer fachlicher Erkenntnisse. Diese beiden Faktoren veranlassen Fachleute, auch in Zeiten enger finanzieller und zeitlicher Budgets einen Kongress zu besuchen. Aber genau in diesen beiden Kongress-Kernbereichen nimmt die Bedeutung sozialer Netzwerke beständig zu. Diese Entwicklung wird in den nächsten Jahren für den „Kongress der Zukunft“ zu markanten Veränderungen führen. Diese Prognose wird durch eine Umfrage gestützt, die MCI Deutschland bei Kongressveranstaltern und -teilnehmern durchgeführt hat.
Zu einem Kongress treffen sich Fachleute, um sich zu einem Fach-Thema auszutauschen und sich dazu auf den neuesten Stand zu bringen. Ein Kernelement von Kongressen ist also der Informations-Austausch. Genau in diesem Bereich, der Verfügbarkeit und Verteilung von Informationen, hat aber das Internet, die sozialen Netzwerke und die Kommunikations-Technik im Allgemeinen in den letzten Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird weiter voranschreiten und die Bedeutung von Kongressen als Informations-Vermittler in Zukunft nachhaltig beeinflussen.
Online-Informationen vs. On-Site-Informationen
Wenn es um die reine Bereitstellung von Informationen geht, gibt es schon heute keinen wirtschaftlichen Grund mehr, diese Informationen im Rahmen eines Kongresses einer begrenzten Anzahl von Teilnehmern verfügbar zu machen. Über soziale oder berufliche Netzwerke ist es jederzeit möglich, relevante Informationen bereit zu stellen. Mehr noch: die aktuellen Techniken ermöglichen es, den Informationsgehalt spezifisch bestimmten Personengruppen anzupassen. Da die Verbreitung solcher Netzwerke immer noch ständig wächst, sind immer mehr Menschen auch bereit, sich Informationen auf diesem Weg zu beschaffen. Dr. Christina Buttler, Director Experience Design bei MCI Deutschland, bestätigt dies: „Am Kongress der Zukunft sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer deutlich technikaffiner und haben höhere Erwartungen an Content und mediale Teilhabe. Die Konsumhaltung in Bezug auf Informationen wird sich zugunsten der Anforderung eines aktiven Miteinbezugs verändern – reine Informationen können sich Kongressteilnehmer auch außerhalb des eigentlichen Kongresses beschaffen.“
Informationen lassen sich online besser steuern
Die Möglichkeit, die Informationen zu selektionieren und den Informationsfluss präzise zu steuern ist ein weiterer Vorteil von Online-Instrumenten. Informationen lassen sich zeitlich und räumlich detaillierter filtern und steuern, als dies bei einem „physischen“ Informationsaustausch möglich ist. So können Informationen mit einem Zeit- oder Zugangscode versehen werden und stehen dann zeitverzögert unterschiedlichen Zielgruppen zur Verfügung.
Der Kongress der Zukunft verliert an „Informations-Relevanz“
Die technischen Möglichkeiten dieser Informationssteuerung existieren in weiten Bereichen heute schon, werden bei Kongressen aber noch wenig und nicht konsequent genutzt. In den nächsten Jahren wird sich dieses Verhalten aber ändern, da diese Art der Informations-Verwaltung und -steuerung aber auch -nutzung alltäglicher werden wird. In der Folge wird die Relevanz der bisherigen Art von Informationsvermittlung an Kongressen in Zukunft abnehmen. Kein Teilnehmer wird einen Kongress mehr besuchen müssen, um an Informationen zu gelangen. Dabei mag einem der Gedanke kommen, einfach keine Kongress-Informationen mehr ins Netz zu stellen. Das ist aber nicht möglich, denn neue Erkenntnisse müssen zumindest interessierten Kreisen zugänglich gemacht werden und Referenten beziehen einen Teil ihrer Reputation aus der Anzahl ihrer Publikationen. Um erfolgreich zu sein, muss ein Kongress also beide Sichtweisen berücksichtigen.
Soziale Kontakte werden online verfügbar sein
Ein weiterer, wichtiger Faktor für die Teilnahme an einem Kongress ist die Pflege und die Schaffung von beruflichen, sozialen Kontakten – „Networking“ steht bei den meisten Kongressen als relevanter Punkt im Programm. Doch auch dieser Punkt wird zunehmend an Bedeutung verlieren, da Pflege und der Aufbau von Netzwerken Kernkompetenzen der sozialen Netzwerke sind. Wer das bezweifelt, der möge sich zurückerinnern, welche geringen Chancen beispielsweise Facebook anfänglich zugestanden wurde. Heute gibt es zahlreiche solcher Plattformen, die sich keineswegs nur im privaten Bereich bewegen. Bestes Beispiel dafür ist das Ärztenetzwerk Coliquio, ein Portal für den fachlichen Austausch unter Ärzten.
Online-Netzwerke lassen sich effizienter nutzen
Der Vorteil von Online-Netzwerken ist ihre zeitliche und räumliche Unabhängigkeit. Kontakte können jederzeit gepflegt werden, neue Kontakte werden vom Netzwerk aktiv vorgeschlagen, die eigenen Kontaktdaten stehen einer Vielzahl von anderen Kollegen jederzeit zur Verfügung. Der Multiplikationseffekt ist deutlich höher als bei persönlichen Kontakten. Dazu kommt, dass diese Kontakte nicht nur auf die Dauer eines Kongresses beschränkt sind, sondern sich in den Alltag integrieren lassen.
Kongresse werden im Bereich „Socialising“ an Bedeutung verlieren
Die zunehmende Bedeutung sozialer und fachlicher Netzwerke wird die Bedeutung des sozialen Netzwerkens an Kongressen deutlich schmälern. Kongressteilnehmer müssen eben nicht mehr an Kongressen teilnehmen um mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten oder neue Kontakte zu knüpfen. Dies übernimmt in zunehmendem Maße das virtuelle Netzwerk.
Der reine Aufbau von Kontakten, der quantitative Aspekt des Networking, wird am Kongress der Zukunft zunehmend weniger wichtig. Im Gegenzug dazu wird der qualitative Aspekt der Kontakte immer wichtiger. Klug und konsequent umgesetzt bedeutet dies für Kongresse und deren Teilnehmer einen echten, weil qualitativen Mehrwert.
Die Bedeutung eines Kongresses als „Event“ wird wichtiger
Wenn nun zwei relevante Faktoren und Gründe für einen Kongressbesuch zunehmend obsolet werden, wird dann die generelle Bedeutung von Kongressen ebenfalls abnehmen? Keinesfalls. Eher wird das Gegenteil passieren und die Bedeutung und Relevanz von Kongressen wird wichtiger werden, aber aus anderen Gründen als bisher: Nicht, weil man Informationen oder soziale Kontakte erhalten muss, wird man an einem Kongress teilnehmen, sondern weil man kann. Wo ein Kongress bisher quantitative Werte bot, muss er in Zukunft qualitative Werte anbieten können um erfolgreich und für Teilnehmer attraktiv zu sein.
Wie wichtig es ist, dass sich Kongresse der Zukunft in Form und Inhalt weiterentwickeln, bestätigt die Zukunftsstudie des German Convention Bureaus, in der „…neue Formen der Wissensvermittlung, virtuelle Tagungseinheiten und die Vernetzung virtueller Räume, eine verstärkte Partizipation der Teilnehmer…“ als elementare Faktoren für einen zukünftigen Kongresserfolg genannt werden..
Chaos Communication Congress als Beispiel
Kaum eine Community ist dermaßen gut online vernetzt wie der Chaos Computer Club. Man möchte meinen, die Mitglieder hätten keinerlei Bedarf, sich physisch zu treffen: Informationen, Kontakte, Themen etc. werden online ausgetauscht, besprochen und weiter entwickelt. Und dennoch fanden 2017 mehr als 15.000 Teilnehmer den Weg nach Leipzig. Der Erfolg dieser physischen Veranstaltung liegt darin begründet, dass den Teilnehmern vor Ort ein echter Mehrwert geboten wird: in Form eines emotionalen Events und in Form von Veranstaltungsformaten, die in dieser Form eben nur im „realen Leben“ möglich sind – das ist der entscheidende Faktor, der dem Kongress der Zukunft seinen Wert verleiht.
Chance für Kongresse: Exklusivität
Worin liegen nun die Chancen für Kongresse in Zukunft? Der Hauptfaktor für einen erfolgreichen Kongress wird in Zukunft in der Exklusivität liegen. Kongressmarketing unterscheidet sich in diesem Punkt nur marginal vom herkömmlichen Konsumgüter-Marketing: Exklusivität, Zusatznutzen, Mehrwert oder ganz allgemein „Verknappung“ steigert die Exklusivität und damit die Begehrlichkeit der Konsumenten. Zunehmende Exklusivität steigert zudem das Image, die Wertigkeit eines Kongresses und damit den Wunsch, Teil dieser Veranstaltung zu sein.
Kongresse müssen Mehrwerte bieten
Je mehr Informationen jemand aus dem Netz ziehen kann, desto relevanter werden qualitative Mehrwerte. Und darin liegt die Chance für die Kongresse der Zukunft. Die Tatsache dass Informationen und soziale Kontakte problemlos online verfügbar gemacht werden können, bietet Kongressen die Möglichkeit, eben genau das nicht zu tun. Das Stichwort heißt: Verknappung. Die Teilnahme an einem Kongress bietet Teilnehmern dann einen Mehrwert, wenn sie zum Beispiel einen Wissensvorsprung erhalten. Dies bestätigt auch die MCI Umfrage, bei der rund 75% der Kongressteilnehmer angaben, in Zukunft eine Kongressteilnahme vermehrt oder ausschließlich davon abhängig zu machen, ob exklusive Informationen, Vorträge oder Workshops angeboten werden und ob diese in einer Form angeboten werden, die über die bloße Berieselung mit Informationen hinaus gehen und damit eben diesen angesprochenen Mehrwert schaffen.
Exklusive Informationen als Erfolgsschlüssel
Für Kongresse bieten sich im Bereich der exklusiven Informationsvermittlung zahlreiche Chancen: Durch innovative, partizipative Formate ist es möglich, die reinen Informationen auf ein höheres qualitatives Level zu heben und so einen fachlichen, aber auch emotionalen Mehrwert bei den Teilnehmern zu schaffen. Die Motivation zur Teilnahme erfolgt dann über zwei Faktoren: einerseits den Inhalt der Information – der fachliche Mehrwert – andererseits die Form der Informations-Vermittlung – der emotionale Mehrwert.
Wer drei Tage für einen Kongress investiert, der muss mehr Nutzen davon haben, als nur das zu hören, was er sowieso nachlesen kann.
Emotionaler Mehrwert als Entscheidungsfaktor
Eine Kaufentscheidung, oder in diesem Falle die Entscheidung zur Teilnahme an einem Kongress, wird letztendlich emotional gefällt, aber rational begründet. Das bedeutet, dass die Exklusivität von Informationen, der rationale Grund ist, einen Kongress zu besuchen. Die eigentliche Entscheidung – der „reason why“ – wird aber erst dann gefällt, wenn zusätzlich ein emotionaler Mehrwert besteht, wenn die Teilnahme über das Faktische hinaus als angenehm und begehrenswert empfunden wird. Das bestätigt auch Dr. Christina Buttler: „Das Schlagwort für den Kongress der Zukunft ist „Teilnehmerzentrierung“. Mittelfristig bewegen wir uns damit auf ein personalisiertes Kongresserlebnis zu. Diesem Thema stellen sich kluge Agenturen und PCOs bereits heute; bei MCI entwickeln und erproben wir in unserer MCI Academy permanent Formate für das Kongress Design der Zukunft.“ Und Prof. Dr. Cornelia Zanger an der TU Chemnitz fasst die Bedingungen für einen erfolgreichen Kongress in Zukunft so zusammen: „… dass vor Ort die eigentliche Emotionalisierung, die Stärkung der Beziehungsqualität und der positive Imagetransfer … von statten geht.“
Fazit: der Kongress der Zukunft braucht einen USP und Emotionen
Trotz aller technischen Möglichkeiten in den Bereichen Kontaktgewinnung und Informationsaustausch werden Kongresse also auch in Zukunft ihre Berechtigung und Bedeutung haben. Mehr noch: ihre Bedeutung wird steigen. Bedingung dafür ist, dass die Veranstalter es schaffen, den Teilnehmern echte Mehrwerte zu vermitteln. Dies im Bereich von exklusiv zugänglichen Informationen aber auch im Bereich eines emotionalen Umfeldes. Soll ein Kongress auch in Zukunft erfolgreich sein, so wird er sich zunehmend in Richtung „Event“ entwickeln müssen; kreative und innovative Formate mit einem starken Einbezug der Teilnehmer werden zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Informative und emotionale Exklusivität werden die Schlüsselbegriffe sein, um Kongressteilnehmer zu generieren und bei diesen nachhaltig positiv in Erinnerung zu bleiben.