Seit Urzeiten zeichnet sich die Menschheit durch eine sehr besondere Verhaltensweise aus: Sie entwickelt permanent Ideen und Technologien, um anfallende Arbeite zu vereinfachen, zu rationalisieren oder ganz zu übernehmen. Egal, welche Epoche man anschaut: Immer haben die Menschen versucht, die Produktivität zu steigern. Die Entwicklung moderner Tools und Prozess-Abläufe ist also keine neue Erfindung sondern ein beständiger Prozess des Wandels und der Transformation.
Die letzte wirklich große Veränderung haben wir der industriellen Revolution zu “verdanken”: Sie stellte das bestehende Wirtschafts- und Produktionssystem vollkommen auf den Kopf. Während vor dieser Entwicklung die Arbeit billig, das Material aber teuer war, drehte sich innert weniger Jahre dieses Verhältnis vollkommen um. Auch die eigenständige und gesamtheitliche Arbeit – typisch für den primären Sektor – ging zu großen Teilen verloren. An ihre Stelle traten klare Hierarchien, feste Zeit- und Befehlsstrukturen und die Standardisierung von Abläufen – das alles kann als Startschuss für die Entwicklung des eigentlichen Prozess- und Unternehmensmanagement betrachtet werden.
Heute befinden wir uns mitten in der nächsten großen Umbruchsphase: Die jüngsten technologischen Entwicklungen, die zunehmende Digitalisierung, Virtuelle Realitäten, Robotik, künstliche Intelligenz und weitere, noch kaum mit dem Verstand zu fassende Veränderungen haben schon heute – zusammen mit dem demographischen Wandel – tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Und wie in jeder Umbruchsphase entstehen dadurch gleichermaßen Ängste und Hoffnungen. Es ist aber nicht übertrieben, wenn man feststellt, dass die heutige “digitale Revolution” mindestens so tiefgreifende gesellschaftliche Änderungen nach sich ziehen wird, wie vor rund 250 Jahren die industrielle Revolution.
Noch können wir die Auswirkungen höchstens erahnen – es ist aber heute schon klar ersichtlich, dass viele Unternehmen und die meisten Branchen vor ganz neuen Herausforderungen stehen.
„New Work“ – Der Wert der Arbeit im Wandel
Wir befinden uns seit einigen Jahren mitten einem Wandel, der das alte Selbstverständnis vom Wert der Arbeit grundlegend in Frage stellt. Der Begriff “New Work”, um 1980 geprägt vom österreichisch-amerikanischen Philosophen Frithjof H. Bergmann beschreibt dieses neue Verständnis als Wandel von der Entscheidungsfreiheit (die Wahl zwischen Alternativen) hin zur Handlungsfreiheit, welche die Chance bietet, sich wirklich frei zu entscheiden. Die zentralen Werte von “New Work” sind gemäß Bergmann die Selbstständigkeit, Teilhabe an der Gemeinschaft und die Freiheit. Oder etwas vereinfacht: “Die Arbeit machen, die man wirklich (wirklich!) will.”
Auch wenn der Begriff “New Work” noch nicht grundlegend Einzug in unseren Alltag gehalten hat, so sind seine Auswirkungen dennoch auch heute bereits sehr präsent: Begriffe wie “work-life-Balance”, “Selbstverwirklichung”, “Eigenverantwortung” etc. wären ohne die philosophische Vorarbeit von Bergmann nicht denkbar. Und diese Begriffe haben in den letzten Jahren nicht nur unser Denken, sondern auch unser Verhältnis zur Arbeit grundlegend beeinflusst. Und dies wiederum hat direkte Folgen für das Verhalten der Menschen gegenüber festgelegten Prozessen, starren Hierarchien, Dogmatismus und gegenüber (selbsternannten oder nur formal legitimierten) Autoritäten. Und das hat – auch wenn es auf den ersten Blick weit hergeholt wirkt – einen direkten Einfluss auf den Kongress der Zukunft! Wenn man sich überlegt, dass noch vor wenigen Jahren die reine top-down-Kommunikation als alternativlos akzeptiert war (in Schule, Ausbildung, Lehre und ja – auch an Kongressen) und wie wenig wir heute diese Form von “Belehrung” akzeptieren, dann kann man sich vorstellen, dass die klassische Form eines Kongresses, eines Symposiums oder einer Konferenz heute nicht mehr auf sehr große Akzeptanz und Begeisterung stößt.
Herausforderung
Wenn auch die Anpassung an neue Berufsbilder für Unternehmen zwar eine Reihe von Vorteilen hat, muss aber zunächst eine Reihe neuer Herausforderungen bewältigt werden. Die Bewältigung dieses Trends ohne Begleitplan kann unerwartete Risiken mit sich bringen, die sich auf die Entwicklung und Produktivität von Unternehmen auswirken, denn die Tatsache, mehr Flexibilität, Eigenverantwortung und Agilität zu bieten, bedeutet auch, dass das Individuum sich der wichtigen Entscheidungsfindung stellen muss. Dies erfordert zum einen, dass die Mitarbeiter der Zukunft ständig neue Wettbewerbsfähigkeiten entwickeln, die von den Unternehmen garantiert werden müssen, um ein kreatives, innovatives und inspirierendes Arbeitsklima zu fördern, das offen für neue Ideen ist und das ihre Mitarbeiter und ihre Unternehmensaufgaben stärkt.
Andererseits wird dies dazu führen, dass traditionelle Strukturen überdacht werden müssen, in Richtung unabhängiger, flexibler, lösungsorientierter Modelle, die sich in einer modernen Führungskultur widerspiegeln.
New Work und der Einfluss auf den Kongress der Zukunft
Die Veränderungen in der Sichtweise auf die Arbeit im Allgemeinen wurden als erstes von den jungen, modernen Start-ups im Silicon Valley aufgenommen und haben von da an den „Siegeszug“ durch die Industriestaaten angetreten – die meisten Firmen haben, bewusst oder unbewusst, diese Entwicklung angenommen und haben entsprechend neue Arbeitsmodelle entwickelt: Eigenverantwortung, zeitlich oder räumlich flexibles Arbeiten, neue Zielmodelle (OKR-Modell) wurden geschaffen, um dem Meta-Trend zu entsprechen und sich auf dem Markt als moderner, offener und innovativer Arbeitgeber zu positionieren.
Leider muss konstatiert werden, dass auch die Konferenz-Branche im weitesten Sinne diesem Trend nur in sehr geringem Umfang folgt: Noch immer dominieren in vielen Kongressen, Symposien etc. die klassischen Abläufe: top-down-Kommunikation und die rigide Trennung von Experten und Teilnehmern. Ein echtes Miteinander, die wirkliche Teilhabe an den Prozessen ist nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Dieses herkömmlichen Kommunikationsprozesse widersprechen aber grundsätzlich den neuen Bedürfnissen der Teilnehmer und auch der übrigen Stakeholdern wie Aussteller und/oder Sponsoren.
Die Veranstaltungsbranche muss sich in voller Konsequenz dem Wandel in Richtung “New Work” und seinen Auswirkungen auf das Individuum stellen, um auch in Zukunft als attraktiv, begehrenswert und wertvoll wahrgenommen zu werden. Sie muss die Konzeption der Veranstaltungen grundlegend überdenken, neue interaktive und vor allem teilnehmerzentrierte Formate einsetzen, sie muss die Teilnehmer “aufwerten”, sie dürfen in Zukunft nicht nur Teil nehmen, sie müssen an den Veranstaltungen Teil haben, sich selbst einbringen können, es muss ein aktiver Austausch von Informationen und Wissen stattfinden und dieser Austausch muss auf Augenhöhe stattfinden.
Halten Sie sich doch bitte einfach die Situation vor Augen, wie sie heute in vielen Bereichen bereits Alltag ist: Ein Unternehmen bietet seinen Mitarbeitern Mitsprache, Eigenverantwortung, offene Diskussionsplattformen und ein ausgeklügeltes Work-live-Balance-Programm. Alles mit dem Ziel, die Motivation und damit die Arbeitszufriedenheit – und damit auch die Effizienz – zu steigern. Wie wollen Sie so einem Mitarbeiter klar machen, dass er zwei, drei Tage seiner Zeit “opfern” soll, um sich quasi “von oben herab” und ohne Möglichkeit der Mitwirkung von einem Experten irgendwelche Neuigkeiten mitteilen zu lassen, die ein paar Tage oder Wochen später sowieso im Internet abrufbar sind? Wo liegt der Mehrwert für einen Teilnehmer? Es gibt keinen! Warum also sollte er da hingehen?
MCI, New Work und der Kongress der Zukunft
Natürlich ist Frithjof Bergmanns kompromissloser Ansatz eine philosophische Idee, die in ihrer Absolutheit wohl nie (zumindest aber nicht in den nächsten Jahren) Einzug in unseren Alltag findet – aber alleine schon seine Gedanken hatten und haben Auswirkungen auf die Gestaltung unserer Arbeitsplätze, Arbeitszeitmodelle etc. pp.
MCI entwickelt seit mehr als 30 Jahren Beratungs- und Umsetzungskonzepte für Kongresse, Symposien, und andere wissenschaftliche Veranstaltungen und seit ebenso vielen Jahren verfolgen wir mit Interesse die kontinuierlichen gesellschaftlichen Veränderungen, welche den Erfolg dieser Veranstaltungen maßgeblich beeinflussen. Als weltweit tätiges Unternehmen haben wir den Vorteil ausreichender Ressourcen, um aufgrund dieser Trends und Veränderungen bestehende Veranstaltungsformate zu optimieren und immer wieder neue zu entwickeln.
Aus unserer Erfahrung können wir belegen, dass Veranstaltungsformate, die den geänderten Bedürfnissen und Anforderungen aller Stakeholder in hohem Masse entsprechend, ein elementarer Faktor sind, um sicher zu stellen, dass Kongresse und ähnliche Veranstaltungen auch in Zukunft erfolgreich durchgeführt werden können. Erfolgreich im Sinne von: genügend Teilnehmer, genügend Aussteller und genügend Sponsoren – und dieses “genügend” ist die notwendige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg und damit das Fortbestehen einer Veranstaltung.
Fazit
“New Work” ist ein philosophischer Begriff, der in seiner Vollumfänglichkeit (noch) nicht im Alltag Einzug gehalten hat – seine Auswirkungen sind aber schon seit längerem auf dem Arbeitsmarkt spürbar. Das Verständnis von Arbeit hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert und das wiederum hat dazu geführt, dass die Ansprüche und Anforderungen an Kongresse, Konferenzen und Symposien sich ebenfalls grundlegend geändert haben.
Um langfristig Erfolg zu haben, ist es deshalb zwingend, dass sich die Organisatoren solcher Veranstaltungen intensiv mit diesen neuen Bedürfnissen befassen und entsprechende Veranstaltungsformate einsetzen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen. Nur wenn das geschieht, kann ein Kongress o.Ä auch in Zukunft erfolgreich sein.
Zum Thema Kongress der Zukunft hat MCI ein aktuelles Whitepaper verfasst – Sie können es wie unsere anderen Whitepapers kostenlos downloaden.